Insolvenzverwalter kann Lohn von Arbeitnehmern zurückfordern

von Rechtsanwalt Vincent Aydin

Wenn das Gehalt ausbleibt, beschreiten Arbeitnehmer oft den gerichtlichen Weg, um an ihren Lohn zu kommen. Hierbei ist unbedingt die finanzielle Situation des Arbeitgebers zu beachten. Erwirkt der Arbeitnehmer durch den Druck einer drohenden Zwangsvollstreckungsmaßnahme die Auszahlung seines Gehaltes und wurde über das Vermögen des Arbeitgebers zu diesem Zeitpunkt schon das Insolvenzverfahren eröffnet oder steht dies kurz bevor, kann der Insolvenzverwalter die Auszahlung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechten und den Lohn vom Arbeitnehmer zurückfordern.

Dazu folgendes Beispiel:

Im März hatte der Arbeitnehmer selbständig ein vorläufiges Zahlungsverbot gegen den Arbeitgeber durchgesetzt und dessen Konto gepfändet. Daraufhin zahlte die Bank den ausstehenden Lohn an den Arbeitnehmer aus.

Über das Vermögen des Arbeitgebers wurde jedoch mit Beschluss vom 7. Februar das Insolvenzverfahren eröffnet. Somit lag die Insolvenzeröffnung vor Auszahlung des Lohns.

Im April forderte der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer zur Rückzahlung auf. Dieser Aufforderung kam der Arbeitgeber nach rechtlicher Beratung nach.

Dem liegen folgende rechtliche Erwägungen zu Grunde:

  1. Indem der Arbeitnehmer aus dem Vermögen des insolventen Arbeitgebers noch Werte erhalten hat, wurde das verbleibende Vermögen entsprechend gemindert und somit die Quote der anderen Insolvenzgläubiger anteilig reduziert. Eine Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger, wie sie § 129 Abs. InsO fordert, ist somit gegeben.
  2. Die vom Arbeitnehmer erlangte Befriedigung ist inkongruent gemäß § 131 InsO. Inkongruent ist eine Deckung dann, wenn der befriedigte Gläubiger die Leistung nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, § 131 Abs. 1 S. 1 InsO. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens gilt der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger. Eine Befriedigung durch eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme, ist eine Befriedigung die nicht in dieser Art vom Insolvenzgläubiger verlangt werden kann. Die durch den Arbeitnehmer erlangte Befriedigung ist daher als inkongruente Handlung anfechtbar.
  3. Eine inkongruente Handlung kann im Zeitraum von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sowie danach, angefochten werden. Im Beispielsfall lag die Befriedigung nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und konnte somit angefochten wurden.

Alle Anfechtungsvoraussetzungen sind im Beispielsfall gegeben. Daher musste der Arbeitnehmer das, was durch die angefochtene Handlung aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin weggeben wurde, gemäß § 143 Abs. S. 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewähren. Zudem besteht gemäß § 143 Abs. S. 2 InsO ein Zinsanspruch gegen den Arbeitnehmer.

Lesenswert auch die Ausführungen des Bundesabreitsgerichts zu diesem Thema (Urteil vom 27.2.2014 – 10 AZR 367/13):

„Eine inkongruente Deckung im Sinne des Anfechtungsrechts liegt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, die mit dem gesetzgeberischen Willen im Einklang steht (BAG 31. August 2010 – 3 ABR 139/09 – Rn. 23), bereits dann vor, wenn der Schuldner während der „kritischen Zeit“ der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder in der Zeit nach Stellen des Insolvenzantrags unter dem Druck unmittelbar drohender Zwangsvollstreckung leistet, um diese zu vermeiden. Unerheblich ist, ob die Zwangsvollstreckung im verfahrensrechtlichen Sinne schon begonnen hatte, als die Leistung des Schuldners erfolgte. Die Inkongruenz wird durch den zumindest unmittelbar bevorstehenden hoheitlichen Zwang begründet (BAG 24. Oktober 2013 – 6 AZR 466/12 – Rn. 24 f.; 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 12; BGH 18. Dezember 2003 – IX ZR 199/02 – zu I 2 a aa der Gründe, BGHZ 157, 242).“